Die Farbe Grün

Die Farbe Grün

Die Farbe Grün

Ich will euch heute etwas über die Farbe Grün erzählen. Sie ist nicht unbedingt meine Lieblingsfarbe, aber in Erwartung des Frühlings ist sie für mich von großer Bedeutung: In Vorfreude auf den Frühling werde ich immer wieder angeregt, um in dieser Zeit Bilder mit Grün zu malen. Wahrscheinlich aus der Ungeduld und der Sehnsucht heraus, das frische Grün in der Natur entstehen zu sehen. 

Dabei ist es gar nicht so leicht, mit Grün zu malen: Grün ist in der Malerei eine sehr wechselhafte Farbe: Zwischen Tageslicht und Kunstlicht verändert sich Grün stärker als alle anderen Farben.

Frühlingsgrün

Frühlingsgrün

Urerfahrung und Niederschlag in den Religionen

„Nach grüner Farbe mein Herz verlangt“ – in diesem Volkslied drückt sich die Sehnsucht der Mitteleuropäer nach jedem Winter aus, nach Wärme, Leben, aber auch nach einem Frühling des Gefühls. 

Mit dem neuen Grün der Wiesen und Felder keimt zugleich die Hoffnung auf Ernte,  auf satt werden. Mit Grün verbindet sich ein Wiesengefühl. Ausruhen, lagern, rasten und träumen. Der Wald wird von den Städtern als grüne Lunge bezeichnet.

Mit Grün verbindet sich ein Baumgefühl: das Erlebnis des aufwachsenden, sich entwickelnden und schließlich Früchte tragenden Baumes prägt unser Grünerlebnis nachhaltig.

Zum Grün-Erlebnis gehört auch das Waldgefühl. In Wald und Hainen verehrten Kelten und Germanen ihre Götter. Eine Ahnung von ihrem Erleben vermittelt das Märchen „Jorinde und Joringel“ sowie die Sagen um Merlin, den Herrn des Waldes, der zuletzt in einer blühenden Weißdornhecke festgehalten wird. Der Wald als Ort des vertrauten Zusammenseins, das Grün als Farbe der Verbundenheit. 

Frühling am Waldrand

Frühling am Waldrand

 

Das Urerleben des Grüns wird von den Völkern in den verschiedenen Klimazonen unterschiedlich erfahren. Bei Wüstenvölkern verkörpert das Grün, sei es ein einzelner Baum oder eine Oase, das Leben schlechthin, denn wo Bäume sind, gibt es Wasser und dann ist Überleben möglich. 

Darum ist Grün die Farbe des Propheten Mohammed und schmückt daher viele Flaggen muslimischer Länder. So kann auch das ewige Leben nirgends anders als im immergrünen Paradiesgarten vorgestellt werden, wie die Visionen im Koran zeigen. 

Ähnliches im Alten Testament: Es heißt im Psalm 23: der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln, er weidet mich auf einer grünen Aue. 

Anders erfahren die Urwald- und Dschungelvölker das Grün. Hier wird das Grün zwar ebenfalls als Leben spendend erfahren, als „Große Mutter“, aber zugleich auch als verschlingende Übermacht.

Feuchtigkeit bringt Grün hervor; Orte wie Sümpfe und Tümpel werden grün. Frösche und Kröten gedeihen dort. Mit ihnen verbindet sich uralte Fruchtbarkeits-Symbolik: Die Mutter von Dornröschen wird schwanger nach der Begegnung mit einem Frosch. 

Symbolik des Anfangs und der Schöpfung

Das Grün ist das Anfängliche, Keimhafte. In vielen Schöpfungsgeschichten spielt es eine Rolle. In der Schöpfungsgeschichte der Bibel bringt das Wort Gottes am dritten Schöpfungstag, nach Scheidung von Wasser und Land, die Vegetation hervor. Die Schöpfung gipfelt in die Anlage eines Gartens für die Menschen. 

Grün war im orphischen Mythos das Licht des Geistes, das das Urwasser am Anfang der Zeiten befruchtet.

Das Anfängliche steckt in den Redensarten “noch Grün (hinter den Ohren) sein“. Die grüne Jungfrau ist eine noch nicht voll entwickelte Frau. Der griechische Ausdruck für Kröte heißt wörtlich Gebärmutter.

Im 15. Jhdt war das grüne Zimmer das Wochenbett für adlige Frauen. Hildegard von Bingen entwickelte ihre Heilkunde um den Begriff „viriditas“=Grünkraft. Grün ist die Hoffnung.

Weitere Stirb- und Werde-Mythen

Die Vegetationsmythen, die das Sterben und Werden der Natur durch Winter und Tod zum Ausdruck bringen, stehen alle mit dem jungen Grünen in Zusammenhang, das nach der Regenzeit wieder aus der Erde sprießt. So wird im Orient zu Frühlingsbeginn das Fest der heiligen Hochzeit zwischen der Erdgöttin und dem jungen Vegetationsgott Tamuz gefeiert. 

Obwohl die Propheten des alten Testamentes diesen Kult ablehnten und ihn als Hurerei des Volkes unter grünen Bäumen geißelten, haben sich Spuren bis heute erhalten: Der umtanzte Maibaum, — der Mai als Marien-Monat, Kirchen und Häuser werden mit jungen Birken geschmückt —, erinnert an die das Leben wiederbringende Muttergöttin. 

Hildegard von Bingen bezeichnet Maria als die allergrünste Jungfrau Gottes. 

Prinz Karneval ist der Nachfahre des Frühlingsgottes. 

Grün in Christusbildern drückt immer Hoffnung und Wandel aus.

Der auferstandene Christus erscheint Maria Magdalena als Gärtner im Johannes-Evangelium. Die Verbindung zwischen dem Frühlingsmythos der heiligen Hochzeit und Ostern ist dadurch gewahrt, dass wir das Fest der Auferstehung zur Zeit des Frühlingsmondes wie in alten Zeiten feiern. 

Palm-Sonntag ist der Tag des Einzugs in Jerusalem, wo ihn das Volk von Jerusalem Gottes „Braut“ mit Palmzweigen empfing. Zugleich ist es der Tag an dem oft junge Leute konfirmiert werden. Gründonnerstag heißt der Tag, an dem das letzte Abendmahl Christi gefeiert wird als Liebesmahl, an dem er sich hingab an die Seinen. Am Gründonnerstag wird heute noch das erste Grün auf den Tisch gebracht: in Franken Spinat, in Hessen junge Kräuter in Grüner Sauce.

Die negative Seite des Grün

Giftgrün: Grün ist zugleich die Farbe des Giftes, des Ungenießbaren, des Schimmels. 

Grün war auch die Lieblingsfarbe Napoleons. Sie wurde ihm zu Verhängnis: im Exil auf Sankt Helena waren die Räume grün tapeziert. Vor einigen Jahren entdeckten Chemiker in den Überresten seiner Haare Arsen. Aber Napoleon ist nicht vergiftet worden, sondern im feuchten Klima von Sankt Helena löste sich das Gift aus den Tapeten und Möbelstoffen und grün gefärbtem Leder. Er starb an einer schleichenden Arsenvergiftung. 

Grüne Flüssigkeit spielte auch eine Rolle in den Lehrbüchern der Alchemisten.

Biologie und Ernährung

Das Pigment der Pflanzen ist das Chlorophyll. Chlorophyll ist dem Hämoglobin sehr ähnlich, enthält jedoch statt Eisen Magnesium. 

Der grüne Farbstoff ist auch enthalten in Avocado, Bohnen, Brokkoli, Oliven, grünen Paprika, Spinat, Zucchini.

Farbtherapie

Jeder stille Spaziergang in der grünen Natur harmonisiert unser ganzes Wesen. Jede Blüte vermittelt die Botschaft von Liebe und lässt die gleichen Eigenschaften in unserem Herzen erblühen. Grün befreit die Seele von Blockaden, Verspannungen und von sorgenvollen Gedanken. In der Farbtherapie wird Grün eingesetzt um entzündliche, schmerzhafte Krankheitsprozesse zu lindern, um Stimmungsschwankungen auszugleichen.

Wenn ihr nun eine Erzählung in Grün lesen wollt, dann empfehle ich das Märchen von Jorinde und Joringel. Ihr werdet dort vieles an Symbolik, das ich euch hier geschildert habe, wiederentdecken. Viel Freude dabei!

Quelle:

Ingried Riedel, Farben in Religion, Gesellschaft, Kunst und Psychotherapie, Kreuzverlag Stuttgart 1983

Waldtraud Maria Hulke, Das Farbenheilbuch, Windpferd Verlagsgesellschaft mbH

Aitrang 1997

Ingrid Kraaz von Rohr, Gute Laune kann man essen, nymphenburger-verlag 2008